Frau GU, woher kommen Kopfschmerzen gemäss Lehren der TCM?
Frau Prof. Hongwei GU: Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) betrachtet Kopfschmerzen als ein Symptom für ein Ungleichgewicht im Körper. Dieses Ungleichgewicht kann durch verschiedene innere und äussere Faktoren verursacht werden. Zu den äusseren pathogenen Faktoren zählen Wind, Kälte, Hitze und Feuchtigkeit.
Zu den inneren Faktoren gehört unter anderem ein aufsteigendes Leber-Yang, das für ein Ungleichgewicht der Leber-Energie steht und oft auf psychischen Stress und emotionale Belastungen zurückzuführen ist. Organische Ursachen wie Störungen der Nieren- oder Leberenergie, ein Mangel an Nieren-Yin oder ein Blutmangel, der mit einer schwachen Magen-, Leber- oder Herzenergie zusammenhängt, können verschiedene Arten von Kopfschmerzen verursachen. Wenn die Flüssigkeiten im Körper nicht ungehindert fliessen können, zum Beispiel weil Schleim nicht gut abfliesst, kann dies ebenfalls zu Kopfschmerzen führen. Dies ist oft auf eine schwache Milz-Energie zurückzuführen. Ein weiterer Faktor, der nach der TCM zu Kopfschmerzen führen kann, ist der Blutstau.
Kopfschmerzen hören sich zunächst einmal unspezifisch an. Wie gehen Sie vor, wenn jemand deswegen zu Ihnen kommt?
Je nach Ursache unterscheiden sich die Symptome. Kopfschmerzen, die auf einem aufsteigenden Leber-Yang beruhen, machen sich anders bemerkbar als Erkältungskopfschmerzen. Die Symptome von Kopfschmerzen aufgrund eines schwachen Nieren-Yings sind wieder anders. Bei Kopfschmerzen kommen ausserdem Blockaden der Meridiane als Auslöser hinzu. Sind bestimmte Meridiane blockiert, treten oft typische Schmerzen auf.
Werden unterschiedliche Kopfschmerzen auch anders behandelt?
Ja, die Ursache hinter den Kopfschmerzen ist ausschlaggebend für die Behandlung. Wir behandeln grundsätzlich so, dass wir einerseits die Symptome bekämpfen und andererseits den Körper wieder ins Gleichgewicht bringen. Sobald wir die Ursachen kennen, können wir auch die Behandlung festlegen. Je nachdem, woher die Kopfschmerzen kommen und wo sie auftreten, behandeln wir andere Punkte am Körper. In der TCM behandeln wir grundsätzlich immer den ganzen Körper, das ganze System und nicht nur die einzelnen Symptome, die an einer Stelle auftreten.
Wie finden Sie die Ursache?
Wir können von der Stelle ausgehen, an der die Kopfschmerzen auftreten. Die gibt uns einen Hinweis auf den Meridian, den wir behandeln müssen. Die Lokalisierung des Schmerzes hilft uns dabei, herauszufinden, an welcher Stelle ein Ungleichgewicht besteht. Auch die Art der Schmerzen lassen für uns Rückschlüsse auf die Ursache zu. Spannungskopfschmerzen beispielsweise deuten auf einen Energiestau hin. Stechende Schmerzen hingegen sind Anzeichen für einen Blutstau, ziehende Schmerzen hängen mit Wind zusammen. Deshalb ist das Gespräch mit dem Patienten für uns so wichtig. Wir wollen wissen, wo und wie stark die Schmerzen sind, wie sie sich verändern und wann sie auftreten. Hilft zum Beispiel Wärme? Oder im Gegenteil Kühlung? Sind die Schmerzen in der Nacht schlimmer oder am Tag? Auch die Intensität des Schmerzes spielt eine Rolle. Die Art der Schmerzen hängt sehr direkt mit den Ursachen zusammen.
Prof. Hongwei GU«Wir behandeln grundsätzlich so, dass wir einerseits die Symptome bekämpfen und andererseits den Körper wieder ins Gleichgewicht bringen.»
Können Sie uns dafür ein Beispiel geben?
Bei einem aufsteigenden Leber-Yang fühlt sich der Kopf oft heiss an und ist gerötet, die Schmerzen sind stechend oder zeitweise bis anhaltend pulsierend. Das kann ein Hinweis sein auf einen hohen Blutdruck. In so einem Fall behandeln wir nicht nur die Kopfschmerzen, sondern auch den hohen Blutdruck. Spannungskopfschmerzen, die auf einen Leber-Energie-Stau zurückgehen, behandeln wir, indem wir insgesamt für Entspannung sorgen. Probleme mit der Halswirbelsäule können auch ein Grund sein für Kopfschmerzen, da könnte ein Blutstau dahinter stehen oder Nervenschmerzen. Besonders in solchen Fällen ist die Zusammenarbeit mit der Schulmedizin für uns wichtig: Mit Hilfe unserer Diagnostik finden wir einen Grossteil der Ursachen heraus, aber manchmal braucht es, um ganz genaue Ergebnisse zu erhalten, auch Methoden der Schulmedizin. Dadurch können wir am Ende gezielter behandeln.
Wie behandeln Sie Kopfschmerzen?
Bei Kopfschmerzen, die auf äussere Faktoren zurückzuführen sind, hilft eine Kräutertherapie. Je nach Ursache verwenden wir unterschiedliche Kräutermischungen, die gezielt wirken.
Akupunktur kommt auch zur Anwendung: Wir behandeln die betroffenen Meridiane am ganzen Körper, nicht nur an der schmerzenden Stelle. Jeder Körper ist anders, deshalb ist auch die Behandlung immer individuell angepasst, aber am Ende steht alles miteinander in Verbindung.
Bei Blut- und Energiestau oder Spannungskopfschmerzen ist Schröpfen eine gute Behandlungsmethode. Ohrakupunktur bietet ebenfalls einen vielversprechenden Möglichkeit, denn am Ohr befinden sich diverse Punkte gegen Schmerzen und solche, die mit den Organen in Verbindung stehen.
Auch eine Tuina-Massage kann bei der Heilung gute Dienste tun und die Symptome bekämpfen, ist allerdings eher für eine kurzfristige Linderung geeignet. Für einen langfristigen Effekt setzen wir auf Akupunktur und Kräutertherapie.
Es gibt allerdings nicht die eine Ernährungsform, die für alle passend ist. Ernährung ist etwas Individuelles und hängt vom jeweiligen Körperzustand ab. Was man jedoch sagen kann: In der akuten Allergie-Phase sollte man zu scharfe Speisen meiden. Auch sehr süsse oder fette Speisen sind nicht empfehlenswert.
Bei Allergien können ausserdem Blüten-Tees eine heilende Wirkung haben. Beispielsweise Kamillentee, die Blüten des Geissblatts oder Tee aus den Knospen der Magnolie können besonders für die Nase wohltuende sein. Wenn man rechtzeitig damit beginnt und die Blüten-Tees regelmässig trinkt, kann man die Allergie dadurch ebenfalls abschwächen.
Gibt es etwas, das unterstützend wirkt?
Vorbeugend kann man eine ganze Menge tun. Man sollte Stress und Aufregung nach Möglichkeit vermeiden. Auch unsere Umgebung ist wichtig: Ein ruhiges, reizarmes Umfeld, mit wenig Lärm und angenehmem Licht tut uns gut. Ausreichend Schlaf ist ebenfalls essenziell, mindestens 7-8 Stunden Schlaf pro Nacht. Frauen sollten sich während der Menstruation etwas schonen, sich Ruhe gönnen und sich warm halten. Die Ernährung spielt auch eine wichtige Rolle: Kein Alkohol, nicht rauchen, keine Schokolade, Kaffee nur in Massen, auch zu kalte Speisen und Getränke sind nicht gut. Ich empfehle, viel Obst, Gemüse und Nüsse sowie ausreichend Magnesium zu sich zu nehmen. Grundsätzlich gilt: Von allem etwas, aber nicht zu viel. Regelmässige Malzeiten sind wichtig, mindestens drei am Tag. Und nicht zu viel Salz. In der Schweiz wird verhältnismässig stark gesalzen, weil weniger Gewürze verwendet werden.
Dann gibt es Tees, die helfen: Kamillentee hilft bei Wind und Hitze, Ingwertee ist gut gegen Wind und Kälte. Sehr zu empfehlen sind auch Suppen. Reis-Suppe mit Ingwer und Schnittlauch hilft gegen Kälte, ist also gut bei einer Erkältung. Sellerie hingegen kühlt den Körper.
Man kann auch einige Punkte selbst massieren, um die Schmerzen zu lindern. Es gibt ausserdem Qi-Gong-Übungen, die helfen. Ohne Begleitung ist das für Anfänger allerdings eher schwierig. Mit ein wenig Übung kann Qi-Gong eine wunderbare Entspannung-Technik sein.
He Gu Xue Der Punkt liegt auf der Rückseite der Hand, auf dem höchsten Punkt in der Mitte des Muskelschwulst bei angelegtem Daumen. Drücken Sie den Punkt auf beiden Händen 1x pro Tag 30-mal fest mit dem Daumen. So wird nicht nur der Blutdruck gesenkt, auch der durch Bluthochdruck verursachte Schwindel und Kopfschmerzen können gelindert werden. |
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Feng Chi Xue Der Genh Chi-Punkt liegt in der Vertiefung zwischen Nacken und Ohr. Er bietet sich bei Fieber, Erkältung, Kopf- und Nackenschmerzen ebenso an wie bei Augenproblemen und Bluthochdruck. Stimulieren Sie den Punkt durch Druck Ihres Daumens oder der Spitze des Zeigefingers. |
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Tai Yang Xue Der Punkt Tai Yang befindet sich in dem meist tastbaren Grübchen, das von der Mitte einer gedachten Linie zwischen Augenbrauenende und Augenwinkel etwa einen Zentimeter in Richtung Ohr liegt. Die sanfte Massage des Punktes hilft bei Kopfschmerzen. |
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Bai Hui Xue Der Akupunktur Punkt Bai Hui liegt in der Verlängerung der Verbindungslinie vom tiefsten zum höchsten Punkt der Ohrmuscheln auf dem Kopf. Sie können an der Stelle meist eine leichte Vertiefung ertasten. Der Punkt Bai Hui beruhigt, entspannt und erhellt das Bewusstsein. Die Wirkung kann durch intensives Klopfen mit einem Finger, ca. 50 Mal, erreicht werden. |
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Yin Tang Xue Dieser Punkt liegt genau in der Mitte zwischen den Augenbrauen, direkt über der Nasenwurzel. Er kann bei Kopfschmerzen, Augenbeschwerden und Nasenverstopfung helfen. direkt über der Nasenwurzel. |
Wann sollte man seine Kopfschmerzen behandeln lassen?
Sofort! Es lohnt sich immer. Manche sagen ihren Termin bei uns ab, weil sie Kopfschmerzen haben. Dabei können wir das direkt behandeln. Das ist in meinen Augen wesentlich besser, als Tabletten zu nehmen. Für eine langanhaltende Wirkung brauchen wir natürlich mehr Zeit.
Wie lange dauert es, bis eine Besserung eintritt?
Eine Linderung tritt meist schnell ein. Bis die Beschwerden wirklich weg sind, braucht es in der Regel 10- 12 Sitzungen. Das ist natürlich individuell und hängt auch von den Ursachen ab, jeder Körper reagiert anders. Wichtig ist es, seinem Körper etwas Zeit zu geben, gewisse Veränderungen stellen sich nicht sofort ein. Manchmal sind die Symptome schneller weg als die Ursache. Dann machen wir so lange weiter, bis auch die Ursachen behandelt sind. Das ist für manche zum Teil schwer zu verstehen, weil sie keine Symptome mehr spüren. Wollen wir einen dauerhaften Effekt, müssen wir die Ursache beheben und das dauert nun mal länger. Andere bemerken nach drei Sitzungen noch keinen Effekt und wollen die Behandlung abbrechen. Manchmal braucht es einfach etwas Zeit, bis die Veränderungen spürbar sind. Man sollte geduldig sein mit sich und seinem Körper.
Zur Gesprächspartnerin
Prof. Hongwei GU ist eine langjährige TCM-Therapeutin mit über 25 Jahren Erfahrung als praktizierende Ärztin, Chefärztin und Professorin in traditioneller Chinesischer Medizin. Sie verfügt über einen Masterabschluss und hat eine achtjährige Universitätsausbildung zur Ärztin für Traditionelle Chinesische Medizin in China absolviert. Neben ihrem hohen Spezialisierungsgrad und ihrem grossen Fachwissen zeichnet sich Hongwei GU auch über viel Einfühlungsvermögen und ein gutes Gespür für ihre Patientinnen aus.